9 aus 2023 | Buchiger Jahresrückblick
Überraschenderweise habe ich in 2023 viel mehr gelesen als ich ursprünglich gedacht hätte. Allerdings muss ich zugeben, dass es mir dieses Jahr etwas schwieriger fällt meinen Rückblick zu formulieren, denn mitten im Jahr habe ich aufgehört meine Bücher über Goodreads zu tracken. Ich war ja bereits 2022 (durch sanften Gruppenzwang) zu READO gewechselt und auf Dauer wurde es mir dann doch etwas mühsam alles in zwei verschiedenen Apps zu tracken. Nun sehen natürlich alle Statistiken etwas anders als üblich aus und der bei Goodreads so praktische Link zur Übersichtsseite fehlt mir ein wenig. Das könnte READO gerne noch einführen!
Mein Jahr in Büchern
Dennoch kann ich bei READO einige Statistiken sehen: So habe ich über das Jahr verteilt 56 Bücher mit insgesamt 19.765 Seiten gelesen. Im Vergleich zu den Vorjahren habe ich aber auch deutlich häufiger Bücher getrackt, die ich bereits kannte, und nur zur Unterhaltung (zum Beispiel während einer Erkältung) noch einmal gelesen habe. Wenn ich diese Bücher herausrechnen würde, käme ich also auf viel weniger Bücher. Allerdings liege ich dennoch deutlich über meinem Leseziel von 24 Büchern, was mich sehr freut. Denn nach dem Studium und zu Beginn meiner Berufstätigkeit hatte ich eine Lebensphase in der ich erschreckend wenig gelesen habe. Besonders in der zweiten Hälfte des Jahres habe ich deutlich mehr gelesen, ganz im Gegensatz zu 2022 wo es witzigerweise genau andersherum war.
Aber nun genug der Vorrede und wir schauen uns meine Lieblingsbücher des Jahres an! Wie immer gilt: Ich stelle euch die Bücher in der Reihenfolge vor, in der ich sie gelesen habe, es gibt also kein weiteres Ranking innerhalb meiner Lieblinge!
9 aus 2023 – Meine Lieblingsbücher
Der Leselebenstintensee von Giwi Margwelaschwili
Eines meiner absoluten Lesehighlights war Der Leselebenstintensee von Giwi Margwelaschwili. Das Buch ist ein metafiktionales Feuerwerk an Wortspielen rund um Leser, Lesefiguren und das Lesen selbst. Der Stil, angelehnt an Thomas Mann, erschwert die Lektüre mitunter, weil man bei der komplexen und verschachtelten Struktur sehr aufmerksam bleiben muss. Wer sich daran jedoch nicht stört kann sich höchst philosophische Gedanken über die Existenz der erzählten Geschichte machen.
Utopien für Realisten von Rutger Bregman
Mit Utopien für Realisten von Rutger Bregman ging es ganz optimistisch weiter. Bregman beschreibt in seinem Buch einerseits wie gut es unserer heutigen Gesellschaft geht, indem er aufzeigt inwieweit sich Lebenserwartung, Verteilung von Wohlstand oder allgemeine Bildung über die Jahrhunderte entwickelten. Andererseits zeigt er auch auf, vor welchem akuten Problemen unsere Gesellschaft steht. Denn aktuell sieht es so aus als hätten wir die großen Entwicklungssprünge hinter uns und weitere könnten nur folgen, wenn wir uns als Gesellschaft insgesamt weiterentwickeln.
Ein Beispiel gefällig? Mit der zunehmenden Industrialisierung und Automatisierung wuchs unser Wohlstand jahrelang. Zuletzt ändert sich aber die Arbeitswelt rasant. Konzentrieren wir uns weiter auf das BIP und beachten Care Arbeit, Ehrenamt und Freizeit nicht, wenn wir Wohlstand betrachten wollen, setzten wir einen falschen Fokus. Das zeigen Untersuchungen nach denen die Länder mit dem höchsten BIP pro Kopf auch die meisten sozialen Probleme haben. Bregman liefert aber nicht nur jede Menge Fakten, sondern stellt auch einige Utopien für eine bessere Zukunft vor. So hinterlässt das Buch das positive Grundgefühl, dass man viele zukünftige gesellschaftliche Probleme doch lösen könnte.
Laufen von Isabel Bogdan
Mit Der Pfau hatte sich Isabel Bogdan bereits mit ihrem wunderbaren Schreibstil und ihrem Humor überzeugt. Umso gespannter war ich auf Laufen. Allerdings hat mich das Thema des Romans lange Zeit abgeschreckt, denn in Laufen geht es um eine Frau, die nach einem Todesfall trauert und diese Trauer durch ihr Joggen zu verarbeiten versucht. Erstaunlicherweise schafft es Bogdan jedoch den schwierigen Spagat zwischen erstem Thema und leichten Tonfall zu halten. Mit ihrer wunderbaren Sprache beschreibt sie in monologartigem Schachtelsatz die innere Aufgewühltheit und schafft so einen wunderschönen Roman über das Weiterleben nach dem Verlust.
Die Zeuginnen von Margarete Atwood
Wie auch der Vorgänger Der Report der Magd gehört Die Zeuginnen zu meinen absoluten Jahreshighlights. Ich finde es beeindruckend wie Atwood mit präzisen Worten und einem relativ schlichten Schreibstil eine solche Tiefe in ihren Romanen erzeugt. Dazu kommt die eindringliche Atmosphäre und die bedrückende Nachvollziehbarkeit ihrer Schilderungen!
Bereits vor, während und auch noch lange nach dem Lesen von Die Zeuginnen beschäftigte mich der Inhalt gedanklich. Inhaltlich knüpft Die Zeuginnen an die Geschehnisse nach Der Report der Magd an, die vielen sicherlich bekannt sind. Wie bereits in Der Report der Magd werden Geschehnisse aus verschiedenen Perspektiven erzählt und miteinander verwoben. Während ich anfangs noch skeptisch war, was inhaltlich nach dem Report der Magd noch zu erzählen wäre, hat mich Die Zeuginnen schnell eines besseren belehrt. Denn die Perspektiven von einer Tante, einer angehenden Tante und einem jungen Mädchen aus Kanada erzählen nicht nur die Geschichte Gileads weiter sondern bieten durch ihre unterschiedlichen Machtpositionen spannende gesellschaftliche Einblicke und ergänzen die Schilderungen aus Band 1 sehr gekonnt.
Quallen altern rückwärts von Nicklas Brendborg
Mit Quallen altern rückwärts. Was wir von der Natur über ein langes Leben lernen können habe ich jede Menge über die Altersforschung gelernt. Eingeteilt in drei Abschnitten beschreibt Brendborg was wir bereits alles über das Altern (nicht nur des Menschen) wissen:
„Im ersten Abschnitt stellt Brendborg Wunder der Natur vor und vergleicht damit die Entwicklung des Menschen mit ganz unterschiedlichen Tierarten. Es geht dabei um evolutionäre Strategien, um Altersrekorde, aber auch um Nachteile eines langen Lebens. Im zweiten Abschnitt Entdeckungen der Forschung geht es dann anhand vieler Beispiele um ganz konkrete Forschungsgegenstände. Von Genforschung über Resilienz als Entwicklungsstrategie bis hin zu äußeren Einflüssen wie Umweltbedingungen oder Ernährung ist alles dabei. Im letzten Abschnitt Gute Ratschläge prüft Brendborg dann kurz und knapp die verbreitetesten Ratschläge für ein langes Leben und ordnet diese im Kontext der vorgestellten Forschung noch einmal ein.“
Aus meiner Rezension zu Quallen altern rückwärts
Aber Brendborg zeigt nicht nur, was wir alles bereits wissen, sondern eben auch welche Forschungslücken bzw. aktuellen Forschungsprojekte es gibt. Neben jeder Menge skurrilem und lustigem (Party-)Wissen lernt man so auch ein wenig die üblichen Tipps für ein längeres Leben besser einzuordnen. Damit ist Quallen altern rückwärts nicht nur unterhaltsam, sondern auch wirklich lehrreich!
Die Wut, die bleibt von Mareike Fallwickl
Dieses Buch habe ich von einer Freundin geschenkt bekommen (was mich auch daran erinnert hat, dass ich Dunkelgrün fast schwarz bis heute ungelesen daheim liegen habe) und habe es regelrecht verschlungen. Mit der eindringlichen Sprache und dem mehr als aktuellen Thema hat Die Wut, die bleibt so einiges in mir ausgelöst. Weil mich das Buch wirklich bewegt hat, möchte ich euch den Roman ganz bald noch einmal einzeln vorstellen, darum greife ich hier nicht zu viel vor!
Tausend Zeilen Lüge von Juan Moreno
Ebenfalls wie im Rausch gelesen habe ich Tausend Zeilen Lüge. Darin beschreibt der Journalist Juan Moreno wie er die Claas Relotius der Fälschung seiner vorher hochgelobten Spiegel-Reportagen überführte. Das Buch ist eine Mischung aus Sachbuch und Thriller, weil Moreno mehr oder weniger chronologisch die Ereignisse beschreibt, die schließlich zu einem der größten Journalistik-Skandale der letzten Jahre führten. Und weil Moreno als Journalist sonst selbst Reportagen schreibt, liest sich das ganze Buch fast wie eine sehr, sehr lange Reportage über den deutschen Journalismus und ist nicht nur informativ, sondern auch unterhaltsam.
Der Traum von einem Baum von Maja Lunde
Mit Der Traum von einem Baum schließt Maja Lunde ihre Klima-Quartett-Reihe ab, die sie mit Die Geschichte der Bienen begonnen hatte. Bereits vorher hatte ich das Gefühl, dass jeder der Bände dystopischer als der vorherige wurde. Diese Entwicklung setzte sich auch in Der Traum von einem Baum fort. Wie in den vorherigen Bänden geht es aber nicht nur unterschwellig um die Auswirkungen des Klimawandels sondern viel mehr um Fragen nach Menschlichkeit und völkerübergreifender Zusammenarbeit. Wenn es durch ein verändertes Klima unzählige ausgestorbene Pflanzenarten gibt, können diese mithilfe einer Samendatenbank wieder angesiedelt werden? Oder konzentriert sich die Menschheit nur auf ertragreiche Kulturpflanzen und zerstört durch Monokulturen weitere Arten?
Während der Roman selbst (ich habe wie bereits die vorherigen Bände das Hörbuch gehört) noch düsterer ist und teilweise thrillerhaft das Sterben eines ganzen Dorfes erzählt, hat es das Nachwort noch einmal in sich! Ich kann ehrlich sagen, dass ich mehr als einmal Gänsehaut hatte beim Hören und die gesamte Reihe jederzeit empfehlen würde, besonders für Fans von komplexen Geschichten, die im Stil von Cloud Atlas auf mehreren Zeitebenen erzählt werden.
Die Macht der Geographie im 21. Jahrhundert: 10 Karten erklären die Politik von heute und die Krisen der Zukunft von Tim Marshall
Zum Abschluss dann noch einmal ein Sachbuch: Tim Marshalls 2. Band von Die Macht der Geographie nimmt sich diesmal Länder vor, die im 21. Jahrhundert an Bedeutung gewinnen bzw. sich zu ernsthaften Krisenherden entwickeln können. Mit einer Mischung aus Geographie, Geschichte und gesellschaftlicher Entwicklung stellt er Nationen vor, beschreibt vergangene und zukünftige Probleme der vorgestellten Länder und ordnet diese (besonders im Hinblick auf ihre direkten Nachbarländer) in einen politischen Kontext ein. Dieses Sachbuch kommt daher mit einer geballten Fülle an Informationen einher, sodass ich zwischendrin neue Post-Its kaufen gehen musste, weil meine leer wurden. Eine absolute Empfehlung für alle, die sich für Politik und Geschichte interessieren und ihr Wissen über andere Weltregionen ausbauen möchten.
Welches meiner Jahreshighlights kanntet ihr bereits und was waren eure Lieblingsbücher 2023? Hat euch eines der vorgestellten Bücher, welches ihr noch nicht kanntet, neugierig gemacht?
Wenn ihr regelmäßig mitbekommen wollt, was ich lese, folgt mir gerne auf READO unter @leseninleipzig.
Außerdem kommt ihr hier zu meinen alten Jahresrückblicken: Jahresrückblick 2022, Jahresrückblick 2021, Jahresrückblick 2020, Jahresrückblick 2019 und Jahresrückblick 2018