Bloggerpreis "Das Debüt" - Meine Wertung
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Bloggerpreis „Das Debüt“ – Meine Wertung

Voller Neugier habe ich mich letztes Jahr als Jury-Mitglied für den ausschließlich von Literaturbloggern vergebenen Debütpreis von Das Debüt gemeldet. Einerseits war ich neugierig, wie es sich wohl anfühlt als Teil einer Jury Bücher zu bewerten und zu vergleichen. Andererseits standen zu diesem Zeitpunkt bereits einige Bücher auf der Longlist, die mich interessierten, einige weitere folgten noch. Leider haben es viele der Bücher, die mich interessierten gar nicht erst auf die Shortlist geschafft, aber bei insgesamt 69 eingereichten Titeln war die Wahrscheinlichkeit dafür auch gar nicht so hoch. Ein paar der Titel werde ich trotzdem noch irgendwann lesen, darunter unter anderem Die Beschreibung einer Krabbenwanderung von Karosh Taha, Serverland von Josefine Rieks oder Die Hochhausspringerin von Julia von Lucadou. Bei anderen Titeln wie etwa Leinsee von Anne Reinecke bin ich dagegen ganz froh, dass sie es nicht auf die Shortlist schafften, weil sie mich weniger begeisterten. Doch nun genug vom Vorgeplänkel und wir wenden uns direkt der Shortlist zu.

Auf der Shortlist …

Wer in den letzten Tagen und Wochen meinen Blog aufmerksam gelesen hat, der hat sie alle schon entdeckt, die Rezensionen zu den einzelnen Titeln. Ich habe lange überlegt, ob ich neben der Wertung noch einzelnen Rezensionen schreiben möchte und mich schlussendlich dafür entschieden. Denn erstens kann ich durch die Rezensionen, für die ich mir die Bücher noch einmal in Erinnerung rufen musste, ein besseres Bild von allen fünf Büchern im Vergleich machen. Zudem konzentriere ich mich in meinen Rezensionen eher auf die Handlungsebene, für den Debütpreis finde ich die sprachliche Ebene jedoch umso wichtiger. Also hier noch einmal eine kleine Rekapitulation der bereits besprochenen Bücher (über die Verlinkung gehts jeweils zu meiner vollständigen Rezension):

Fuchs, David: Bevor wir verschwinden

Sprachlich für mich die größte Überraschung unter den Finalisten. Ich bin kein Fan von Krankenhausbeschreibungen, dennoch hat die nüchterne Beschreibung mich in den Bann gezogen. Weitesgehend emotionslos und dadurch erträglich, dennoch aber berührend und einfühlsam beschreibt Fuchs in seinem Roman von Leben und Sterben und wie dicht die beiden aneinander liegen. Eindrucksvoll!

Gamillscheg, Marie: Alles was glänzt

Ebenso eindrucksvoll beschreibt Gamillscheg und schafft es trotz weitgehend fehlender Handlung ein Bild des Stillstands und der Einsamkeit zu zeichnen. Der Klappentext ist meiner Meinung nach irreführend, aber die Erzählung poetisch und anrührend. Für mich der literarischste Roman der Shortlist.

Schmidt, Christian Y.: Der letzte Huelsenbeck

Erstaunlich wie viel Handlung man sprachlich in einen Roman drängen kann. Obgleich mich die geschilderte Handlung eher weniger interessierte, wurde auch ich in die atemlose Suche Daniels hineingezogen und konnte mich dessen auch nicht erwehren. Nach etwa 200 Seiten hatte ich das trügerische Gefühl die Auflösung zu erahnen und wurde dennoch weitere 200 Seiten mal hierhin, mal dahin gezogen, bevor mich die entgültige Auflösung schließlich selbst auf den letzten Seiten noch einmal komplett überraschen konnte. Dabei hätte man es vorausahnen können!

Stauffer, Verena: Orchis

Leider entpuppte sich Orchis als die größte Enttäuschung für mich. Sinnlich, wie von anderen teilweise gelobt, fand ich die Erzählweise nicht und poetisch schon gar nicht. Stattdessen fragte ich mich mitunter ob es da nun um Wahn geht oder um Empfindungen. Einfühlen konnte ich mich weder in Anselm noch in seine Probleme, stattdessen langweilte mich seine wahnhaft anmutende und sprunghafte Erzählweise, die irgendwie weder ein nachempfindbares Problem noch eine sonstige mich fesselnde Handlung entwickelte.

Wilpert, Bettina: Nichts was uns passiert

Bettina Wilpert, ich muss es gestehen, war bereits von Anfang an meine heimliche Favoritin. Ihr Buch las ich bereits lange bevor ich von „Das Debüt“ erfuhr. Dennoch möchte ich auch sie möglichst neutral bewerten: Wilpert beschreibt sehr nüchtern einen gar nicht so nüchternen Stoff: Wie geht man mit einer Vergewaltigung um? Gesellschaftlich, aber auch persönlich? Ihre Figuren sind dem Leser sehr nah, auch wenn über den Erzähler eine gewisse Distanz aufgebaut wird. Doch der Stoff bleibt nicht unnahbar und entwickelt ein großes Potential zum Verständnis und zur Diskussion einer Debatte, die gesellschaftlich noch immer nicht abgeschlossen ist.

Meine Wertung

Dreimal darf ich Punkte vergeben, 1, 3 und 5 Punkte, ebenso wie die anderen Jury-Mitglieder. Diese Punkte werden am Ende alle verrechnet und bestimmen so den Debütpreis-Sieger. Und hier sind kurz und knapp meine Punkte:

1 Punkt erhält: David Fuchs mit Bevor wir verschwinden, weil er die Monotonie und die Unerträglichkeit so einfühlsam beschreiben konnte.

3 Punkte erhält: Marie Gamillscheg mit Alles was glänzt, weil sie die Einsamkeit handlungsarm, aber dennoch poetisch beschreibt.

5 Punkte erhält: Bettina Wilpert mit Nichts was uns passiert, weil sie eine ganze Debatte sprachlich einfühlsam widerspiegelt und dabei weder ins Klischee noch in die Oberflächlichkeit abdriftet.

Und nun bin ich gespannt, wie die anderen gewertet haben und wer schlussendlich den Preis verliehen bekommen wird. Wer wäre (unabhängig ob ihr nun Teil der Jury wart oder nicht) euer Favorit gewesen?

P.S. Dass Orchis oben im Bild nicht mit abgebildet ist, ist übrigens keine böse Absicht von mir, sondern liegt daran, dass ich sowohl Orchis als auch Alles was glänzt als ebook gelesen hatte und mich daher beim Fotografieren kurzfristig für einen der Titel entscheiden musste… Beim nächsten Mal lerne ich daraus und frage direkt alle Bücher für die Fotos als Leseexemplar an!

7 Kommentare

  • Mikka Gottstein

    Hallo,

    gerade bin ich über Frau Hemingways Favoriten gestoplpert und war überrascht, dass mit „Nichts, was uns passiert“ ein Buch ganz oben steht, das mich vom Klappentext her nur wenig anspricht.

    Es scheint so, als sollte ich dem Buch doch eine Chance geben!

    Ich habe es bei Frau Hemingway schon geschrieben: rein vom Klappentext her war „Orchis“ mein Favorit. Ich erhoffte mir davon eine kafkaeske Geschichte, die mich ähnlich begeistern würde vor ein paar Monaten „Der Vogelgott“… Ich werde es sicher noch lesen, und ich bin gespannt, wie das Buch auf mich wirken wird!

    „Alles was glänzt“ steht in meiner Liste der Bücher, an die ich die meisten Erwartungen habe, auf Platz zwei.

    „Die Beschreibung einer Krabbenwanderung“, „Serverland“ und „Die Hochhausspringerin“ tummeln sich auch noch auf meiner endlosen Wunschliste – obwohl ich zu „Serverland“ inzwischen harsche Kritik gelesen habe, die dummerweise plausibel klingt.

    „Leinsee“ war übrigens interessanterweise eines meiner Highlights 2018!

    LG,
    Mikka
    [ Mikka liest von A bis Z ]

    • Jennifer

      Hi Mikka,
      ach Mist, warum wurde mir denn der Kommentar schon wieder unterschlagen?
      Also zu „nichts was uns passiert“, das ist halt eher wie ein Bericht verfasst, aber ich fand es trotzdem gar nicht dröge, sondern umso spannender zu lesen. Wahrscheinlich braucht man aber eine gewisse Affinität zum Thema.
      Oh, was wurde denn an Serverland kritisiert? Ich lese immer bewusst wenig über die Bücher, weil ich mir zuerst selbst eine Meinung bilden will. Als nächstes werde ich aber eher die Krabbenwanderung lesen, den hab ich sogar schon zuhause liegen 🙂

      Liebe Grüße
      Jennifer

  • Mikka Gottstein

    Hallo,

    wenn ich mich richtig erinnere, haben ein paar Rezensenten gemängelt, in „Serverland“ werde nicht glaubwürdig ausgearbeitet, wie sich ein kompletter Wegfall des Internets tatsächlich auf die Welt auswirken würde – über den Wegfall von Facebook und Youtube hinaus. Außerdem werde auch überhaupt nicht erklärt, wie es dazu kam und wie und warum das durchgesetzt wurde.

    LG,
    Mikka
    [ Mikka liest von A bis Z ]

    • Jennifer

      Na ja, ob man so einen Wegfall überhaupt bis in letzter Konsequenz ausarbeiten kann, das wage ich mal zu bezweifeln. Jedenfalls spannend, wie schon der Wegfall von SoMe sich auswirken würde.
      Wie gesagt, ich bin neugierig und lese es sicherlich irgendwann 😉 Dann können wir uns ja noch einmal austauschen oder wir machen irgendwann eine Leserunde draus 😉

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