Die Nominierungen zum Deutschen Buchpreis 2018
Seit gut zwei Wochen stehen sie fest: die Nominierten für den Deutschen Buchpreis. Am 14. August wurde die Longlist bekannt gegeben und nun kann man auf Thementischen in Buchhandlungen oder im Netz (zB auf der Seite des Deutschen Buchpreis) einen Eindruck von den Nominierungen verschaffen. Und normalerweise wäre diese Tatsache wie jedes Jahr an mir vorüber gezogen. Ich pflege die Nominierten meist erst mit dem Erscheinen der Shortlist zur Kenntnis zu nehmen, denn so lange Listen sind mir oft zu unübersichtlich. Weil mich mein Freund jedoch gebeten hatte, ihm ein Leseproben-Heft zum Deutschen Buchpreis mitzubringen und weil selbiges so verführerisch in unserer Küche lag, werfe ich nun doch schon einmal einen Blick hinein. Im Folgenden erhaltet ihr meine ersten Eindrücke zu den Nominierungen und auch, welche davon mich besonders interessieren.
Die Nominierten des Deutschen Buchpreis
Insgesamt stehen 20 Romane auf der Longlist. Schon beim Blick auf all diese Titel, erwarte ich sehnsüchtig die Shortlist… Wenn man dann jedoch liest, dass um die 200 Romane eingereicht wurden, muss man schon froh sein, über diese „kleine“ Auswahl!
Carmen-Francesca Banciu: Lebt wohl, Ihr Genossen und Geliebten!(PalmArtPress, März 2018)
Und gleich zu Anfang muss ich mich förmlich durch die Leseprobe kämpfen. Ein „Requiem in reimlosen Versen“. An sich habe ich dagegen auch nichts, aber auf 376 Seiten? Das erscheint mir dann doch eher unlesbar…
María Cecilia Barbetta: Nachtleuchten (S. Fischer, August 2018)
Auch mit dem zweiten Titel auf der Liste kann ich wenig anfangen. Der Stil scheint mir behäbig und ich mag es gar nicht, Informationen zu Ort und Zeit, lieblos in Nebensätzen versteckt präsentiert zu bekommen. Und ich muss einmal sagen, dass ich von Fischer auch bessere Cover gewöhnt bin, auch wenn das natürlich nur eine Randbemerkung sein soll.
Maxim Biller: Sechs Koffer (Kiepenheuer & Witsch, September 2018)
Das Buch hatte ich schon häufiger in der Buchhandlung gesehen, aber irgendwie nie so recht beachtet. Es handelt sich anscheinend um eine in Prag spielende jüdische Migrationsgeschichte und ein Familiendrama. Man liest sehr flüssig in die Handlung hinein, das gefällt mir schon einmal gut. Das Buch könnte ich mir genauer ansehen!
Susanne Fritz: Wie kommt der Krieg ins Kind (Wallstein, März 2018)
Auch dieses Buch habe ich in den Regalen der Buchhandlungen bereits stehen sehen. Sprachlich durchaus interessant, arbeitet Susanne Fritz die Vergangenheit ihrer Mutter auf. Leider kann ich mit solchen persönlichen Aufarbeitungen wenig anfangen. In der Ich-Form geschrieben und aus heutiger Perspektive. Mit einem eher sachlichen Charakter hätte ich mich stärker anfreunden können, auch wenn es mich thematisch durchaus interessiert.
Arno Geiger: Unter der Drachenwand (Carl Hanser, Januar 2018)
Auch dies ein Titel, den ich schon mal vor Augen hatte. Lässt sich sehr flüssig lesen und möchte die Schrecken von Krieg (hier wohl der 2. Weltkrieg) erfahrbar machen. Überhaupt scheint Krieg ein zentrales Thema dieses Jahr zu sein. Unter der Drachenwand lässt sich sehr gut anlesen, ich denke aber, dass die Lektüre im Laufe der gut 500 Seiten noch etwas „happiger“ wird.
Nino Haratischwili: Die Katze und der General (Frankfurter Verlagsanstalt, August 2018)
Auch hier wieder Krieg, aber dennoch wieder sehr flüssig zu lesen. Dieses Mal ein Blick auf das Erbe der Sowjetunion. Interessant finde ich, dass die Autorin selbst aus Georgien stammt. Mit 20 Jahren kam sie zum Studium nach Deutschland und schreibt auf deutsch, da ihr vieles in einer Fremdsprache leichter auszudrücken erscheint. Das finde ich einen spannenden Blickwinkel, ich hätte doch gedacht, dass es einfacher sei, in der Muttersprache über sehr persönliches zu schreiben.
Franziska Hauser: Die Gewitterschwimmerin (Eichborn, Februar 2018)
Wieder Familiendrama, aber diesmal über mehrere Generationen hinweg. Lässt sich flüssig lesen, interessiert mich auch thematisch. Das merke ich mir mal!
Helene Hegemann: Bungalow (Hanser Berlin, August 2018)
Seit ich Axolotl Roadkill in der Uni lesen musste, habe ich Hegemann für mich abgeschrieben. Leider scheint mir Bungalow thematisch interessant und sprachlich, lässt sichs auch lesen. Nun muss ich mal schauen, ob ich meinen Groll überwinden kann.
Anja Kampmann: Wie hoch die Wasser steigen (Carl Hanser, Januar 2018)
Kampmann kann ich gerade nicht so ganz einschätzen. Wohin entwickelt sich dieser Roman? In der Beschreibung des Verlags steht was von Rückkehr aus der Fremde und der bodenlosen Arbeitswelt, aber die Bohrinsel scheint mir nicht lange Handlungsort zu bleiben. Muss noch einmal darüber nachdenken, ob mich das reizt.
Angelika Klüssendorf: Jahre später (Kiepenheuer & Witsch, Januar 2018)
Fortsetzung zu einem früheren Werk. Welches ich nicht kenne. Sicherlich interessant, wenn man den Vorgänger kennt, mich reizt es jetzt nicht so sehr.
Gert Loschütz: Ein schönes Paar (Schöffling & Co., Februar 2018)
Wieder Familiendrama, diesmal garniert mit West-Ost-Konflikt. Liest sich sehr gut an, beschreibt das Verschwinden der Eltern aus der DDR. Kann man definitiv näher ins Auge fassen.
Inger-Maria Mahlke: Archipel (Rowohlt, August 2018)
Teneriffa, aber keine Urlaubsstimmung. Angelehnt an spanische Autoren (sprachlich), was ich durchaus mag. Diese simple Behäbigkeit der Sprache, diese Umständlichkeit, die festen Mustern folgt.
Gianna Molinari: Hier ist noch alles möglich (Aufbau, Juli 2018)
Der wohl einzige Roman auf der Liste, den ich bereits vorher lesen wollte. Einsamkeit und die Suche nach einem Wolf.
Adolf Muschg: Heimkehr nach Fukushima (C.H.Beck, Juli 2018)
Spannendes Werk. Scheint mir recht gegensätzlich zu Baba Dunjas letzte Liebe, welches ich ja sehr mochte. Diesmal verweigern die Anwohner die Rückkehr ins verseuchte Gebiet. Dort soll nun eine Künstlerkolonie eröffnet werden, um den Anwohnern die Heimkehr als sicher erscheinen zu lassen. Ob das wohl so ist? Klingt auf jeden Fall, als ob es einen zweiten Blick wert wäre.
Eckhart Nickel: Hysteria (Piper, September 2018)
An sich gut geschrieben, aber ich bin bei solch vorab gelobten Werken immer etwas misstrauisch. Kann nicht ganz nachvollziehen, warum die Jury des Bachmannpreis den ersten Satz so gelungen fand.
Josef Oberhollenzer: Sültzrather (Folio, März 2018)
Ein Werk, das mit über 200 Fußnoten prallt und unverständlich für den Leser sein möchte. Ob ein Verständnis überhaupt nötig ist? Die Fußnoten täuschen Gelehrsamkeit durch eine große Breite an literarischen Bezügen vor, lassen aber leider nicht darüber hinwegblicken, dass der Text einfach starr ist. Bezweifle, dass es die Mühe lohnt, hier tiefere Gedanken zu suchen.
Susanne Röckel: Der Vogelgott (Jung und Jung, Februar 2018)
Verspricht mythische Elemente, der Anfang liest sich allerdings eher wie ein Mix aus Reisebeschreibung und Krimibeginn. Reizt mich jetzt erstmal nicht so sehr, obwohl ich Märchen und Mythen spannend finde.
Matthias Senkel: Dunkle Zahlen (Matthes & Seitz Berlin, Februar 2018)
Konzept klingt sehr spannend, auch wenn ich mich frage, wie sich das labyrinthische Lesen wohl in der Praxis darstellt. Aber da ich durchaus eine gewisse Affinität zum Thema habe, interessiert mich dieser Roman schon sehr. Steht allerdings auch schon auf der Wunschliste des Freundes, daher muss ich wohl gar nicht lange warten, bis das Buch irgendwann bei uns einzieht 😉
Stephan Thome: Gott der Barbaren (Suhrkamp, September 2018)
Interessiert mich leider thematisch gar nicht. Beziehungsweise interessiert mich schon, aber nicht in der vorliegenden Form.
Christina Viragh: Eine dieser Nächte (Dörlemann, Februar 2018)
Laut Beschreibung mehrere Geschichten, die sich verweben, davon merkt man aber in der Leseprobe noch nichts. Bin hin und her gerissen. Leseprobe liest sich gut. Beschreibung spricht mich eher nicht an.
So, da hab ich die Liste mit den Nominierungen einmal durchgelesen. Weniges davon hat mich so neugierig gemacht, dass ich es sofort kaufen würde, einzig die Titel, die ich vorher auch schon im Kopf hatte, werde ich mir näher ansehen. Ich muss sagen, dass ich überrascht bin, wie ähnlich sich einige der Titel sind. Da ich bisher immer direkt die Shortlist abgewartet hatte, war mir nicht bewusst, dass es bereits auf der Longlist eine Verengung der Themen gibt. Das finde ich ein wenig schade.
Welche Bücher der Longlist interessieren euch? Und warum?
6 Kommentare
Taaya
Huhu,
ich muss sagen, dass mich – wie jedes Jahr – ehrlich gesagt nichts davon interessiert. Ich verstehe ja, dass man bei dem Preis keine Unterhaltungsliteratur mit einfließen lassen möchte. Aber sicher gibt es doch auch ohne Drachen, schnulzige Romanen oder blutige Morde irgendwo Bücher, die mal nicht prätentiös oder hochtrabend klingen? Die Leichtigkeit vermitteln und nur durch die Blume Denkanstöße geben?
Ich verstehe einfach nicht, warum die Jury des deutschen Buchpreises immer ganz bewusst nur Bücher nimmt, die … sagen wir … den Otto-Normalleser nicht groß ansprechen werden. Den Schüler, der sich nach dem Abi etwas langweilt und vorm Studium noch schnell entspannen will. Oder den kleinen Büroangestellten, der nach der Arbeit auf dem Sofa entspannt.
Es muss doch IRGENDWELCHE Bücher geben, die die Schnittstelle von irgendwie klugen Büchern und ‚einfach und angenehm-spaßig zu lesen‘ bedienen. Müssen ja nicht alle auf der Longlist sein, aber warum schließt man sie Jahr für Jahr so konsequent aus? Das schadet dem Preis doch auf Dauer auch nur, weil er immer mehr zu einer Art Elfenbeinturm verkommt.
Ich mein, klar, auch für das, was sie nehmen, gibt es Leser. Dich zum Beispiel (teilweise), Stefan Mesch, oft Linus, … Aber … wäre es nicht besser, sich auf Dauer auch für das Publikum zu öffnen, das entweder nicht so intelligent ist, oder aber sich in seiner Freizeit nicht gern noch mit Kopfschmerzen quält? 😀
Liebe Grüße
Taaya
Jennifer
Hallo Taaya,
ähnliche Gedanken hatte ich beim Durcharbeiten der Leseprobe aber auch. Denn auch wenn du das zu denken scheinst: Ich lese eigentlich auch lieber „lockere“ Bücher als solche Brocken. Ich glaube, sie lassen sich beim Buchpreis eher von Gesellschaftskritik oder Zeitgeschehen oder solchen Kategorien leiten. Wobei das natürlich Unsinn ist, denn schließlich steckt auch in für eine breitere Masse geschriebenen Romanen oftmals tiefer Inhalt (so man ihn denn sehen will).
Ich bin jedenfalls sehr gespannt, welche der Bücher für die Shortlist nominiert werden und werde danach vielleicht noch das eine oder andere lesen.
VG Jennifer
Daniela | Livricieux
Bis auf „Unter der Drachenwand“ habe ich noch von keinem Buch gehört, dafür von diesem ganz viel Gutes. Ich habe es gar in der Buchhandlung einmal angelesen. So spontan würde mich die Thematik von „Sechs Koffer“ noch ansprechen, wobei ich mir da auch die Leseprobe noch näher anschauen würde.
Ich warte auch lieber einmal noch auf die Shortlist 🙂
Jennifer
Liebe Daniela,
warten schadet ja nie 😉
Ich hab von „Hier ist noch alles möglich“ super viel gehört. „Unter der Drachenwand“ hab ich auch schon mal irgendwo gesehen, aber das geht mir inzwischen meist so, dafür habe ich einfach einen zu guten Überblick inzwischen. Bin selten total von Neuerscheinungen überrascht…
VG und dir natürlich noch einen schönen Urlaub!
Jennifer
Sabrina
Hallo Jennifer!
Vielen Dank für den tollen Überblick. Da ich selbst kein Freund von Leseproben bin, ist das die perfekte Form um mir einen Überblick zu verschaffen.
„Heimkehr nach Fukushima“ habe ich bereits gelesen. So viel sei verraten, es gibt auch Menschen, die zurück wollen. Das Buch hat mir gut gefallen, obwohl ich auch Kritikpunkte habe. Ich könnte mir vorstellen, dass es deinen Geschmack trifft.
Arno Geiger möchte ich noch lesen und es ist bereits auf meinem Reader. Ich war gerade etwas überrascht, dass es sich um so einen dicken Schmöker handelt. Merkt man beim eBook gar nicht 😉
Liebe Grüße
Sabrina
Jennifer
Liebe Sabrina,
mein Freund wird sich „Heimkehr nach Fukushima“ wohl kaufen, von daher werd ich zwangsläufig mal reinschauen 😉
Ich selbst warte mit Käufen erst einmal die Shortlist ab 😀
Viele Grüße und viel Spaß mit Geiger dir!
Jennifer