Die Weisheit der Stoiker von Massimo Pigliucci
Rezension

„Die Weisheit der Stoiker“ von Massimo Pigliucci, oder: Über Akzeptanz und den Umgang mit negativen Emotionen

Eigentlich sollte diese Rezension Anfang Januar erscheinen und damit zum idealen Zeitpunkt kommen für alle, die gerade beginnen ihre guten Vorsätze umzusetzen. Jetzt ist sie zwar meine erste Rezension im neuen Jahr, aber wie ihr merkt nicht mehr ganz im Januar gekommen. Aber manchmal kommt es eben anders als man denkt und wenn ich eines durch die Lektüre dieses Buches gelernt habe, dann mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich ändern kann, und mich nicht über Dinge aufzuregen, die ich nicht (mehr) ändern kann.

Die Weisheit der Stoiker. Ein philosophischer Leitfaden für stürmische Zeiten von Massimo Pigliucci

In diesem Buch gibt Massimo Pigliucci eine praktische Einführung in die antiken Prinzipien des Stoizismus und zeigt zugleich wie sich diese historischen Grundsätze in unseren modernen Alltag übertragen lassen. Dabei erklärt er zunächst die stoischen Disziplinen des Begehrens, des Handelns und der Zustimmung und gibt danach 12 praktische Übungen, die helfen eine stoische Lebensweise zu entwickeln. Es geht immer wieder um Kontrolle und Akzeptanz, aber auch um Achtsamkeit, den Umgang mit negativen Emotionen und einen positiven Blick in die Zukunft.

Was, wenn ich das so schreibe, sehr trocken und kompliziert klingt, ist tatsächlich relativ simpel und wesentlich leichter zu verstehen und umzusetzen als ich zunächst gedacht hätte. Denn dieses Buch haben wir in unserer Leserunde gelesen und ich muss gestehen, dass ich von selbst wohl nie zu einem solchen Titel gegriffen hätte. Wer mich etwas länger kennt, weiß, ich bin nun wirklich keine stoische Person und rege mich gerne und intensiv (und manchmal auch mehrfach) über Dinge auf. Allerdings kam das Buch für mich tatsächlich genau im richtigen Lebensabschnitt, denn 2024 war für mich sehr intensiv und meine Energie war so ziemlich am Ende. Vielleicht lag es daran, dass der Inhalt mich so sehr angesprochen hat.

Zu Anfang gibt Pigliucci eine kleine Einführung in die philosophische Geschichte. Wer also mit den Begriffen Stoizismus, Stoa oder Stoiker(n) nichts anfangen kann, wird direkt zu Beginn abgeholt. In den weiteren Kapiteln werden dann verschiedene stoische Denker wie Seneca, Epiktet und Mark Aurel vorgestellt und verschiedene Konzepte des Stoizismus erklärt. Dabei bleibt Pigliucci sehr alltagsnahe und anschaulich, neben historischen Fakten und Erklärungen gibt es historische Hintergründe und danach jeweils die Anwendung des Erklärten auf den modernen Alltag. Ein Beispiel gefällig?

Was wir ändern können und was nicht, oder: Das Beispiel vom fliegenden Pfeil

Eines der für mich anschaulichsten Beispiele im Buch geht auf den antiken Stoiker Epiktet zurück. Es beschreibt sehr eindrücklich den Unterschied zwischen Dingen, die in unserer Kontrolle liegen und denen, die es nicht tun. Das Beispiel geht so: Ein Bogenschießer übt lange um mit dem Bogen zu schießen. In dem Moment wo er den Pfeil im Bogen spannt, hat er die Kontrolle darüber, wie und wohin er zielt, wie weit er den Bogen spannt und wann er schießt. In dem Moment in dem er den Pfeil jedoch losfliegen lässt, hat er keine Kontrolle mehr über den Pfeil und seinen Flug. Egal wie viel er geübt hat oder wie gut er gezielt hat, der Pfeil kann durch den Wind abgetrieben werden oder andere Faktoren können den Flug beeinflussen, zum Beispiel ein Vogel, der zwischen das Ziel und den Pfeil fliegt.

Wenn man dieses Beispiel liest, klingt es überraschend simpel und logisch. Dennoch war es für mich augenöffnend, denn bevor ich das Beispiel und die Erklärung gelesen habe, hätte ich gesagt, dass der Bogenschütze die absolute Kontrolle über den Flug des Pfeiles hat: Er bestimmt wie viel er vorher übt und er ist derjenige, der den Bogen spannt und das Ziel anvisiert. Als modernes Beispiel für dieses Prinzip nennt Pigliucci die Bewerbung auf einen Job: Der sich Bewerbende schreibt eine gute Bewerbung, tritt im Vorstellungsgespräch sicher und souverän auf und ist top vorbereitet. Alles, was in seiner Macht steht, hat er getan. Dennoch hat er am Ende keinen Einfluss auf die Frage, ob die Firma ihn einstellen wird. Die äußeren Umstände in Form von anderen Bewerbern und deren fachliche Eignung kann er weder vorhersehen noch kontrollieren.

Es geht in dieser Metapher also darum zu unterscheiden, welche Dinge man selbst kontrollieren kann und welche nicht. Daraus lassen sich zwei Empfehlungen ableiten: Sich auf die Dinge zu konzentrieren, die man direkt verändern kann. Und zugleich die Dinge zu akzeptieren, die man selbst nicht direkt verändern kann. Es geht also sehr stark darum sich (und seine Energie) auch die richtigen Dinge zu fokussieren.

Vom Unterschied zwischen Akzeptanz und Resignation

Was Pigliucci dabei jedoch betont ist der Unterschied zwischen Akzeptanz und Resignation! Denn man könnte nun fälschlicherweise annehmen, dass es im Stoizismus nur darum geht, die Welt stumpf zu akzeptieren wie sie ist. Es geht aber gerade um die Unterscheidung dessen, was man selbst zu ändern vermag und was nicht. Denn negative Emotionen darauf zu verwenden sich über Dinge außerhalb meiner Kontrolle aufzuregen, verändert die Welt nicht und raubt mir nur Energie. Die Welt erst einmal zu akzeptieren und dann im Rahmen der eigenen Möglichkeiten zunächst das eigene Umfeld zu ändern und darüber im Kleinen eine Veränderung der Umstände (und damit des nicht direkt Kontrollierbaren) anzustreben, kanalisiert die eigene Energie auf sinnvolle Weise und sorgt zugleich für einen positiveren Blick auf die Zukunft.

Eine praktische Übung zum Schluss

Und weil Pigliucci sein Buch mit 12 praktischen Übungen beendet, möchte auch ich euch zum Abschluss die erste praktische Übung nahebringen:

Prüfen Sie Ihre Eindrücke

Bei dieser Übung geht es darum die eigenen Eindrücke oder Emotionen zu überprüfen. Denn im Gegensatz zu unserer Umwelt können wir unsere eigenen Gefühle kontrollieren. Wenn uns etwas schlimmes widerfährt, in Pigliuccis Übung ist es eine Lebensmittelvergiftung nach einem Restaurantbesuch, dann lässt sich an der akuten Situation erstmal wenig ändern (zumindest lässt sie sich nicht rückgängig machen). Allerdings kann man seinen Umgang mit der Situation ändern. Es gibt nun zwei Möglichkeiten:

  1. Sich über die Situation ärgern und sich lautstark über das eigene Leid beklagen.
  2. Die Situation als solche annehmen und sich darauf konzentrieren (schnell) gesund zu werden (und ggf. nicht mehr in das Restaurant zu gehen, wenn die Lebensmittelvergiftung durch falschen Umgang mit den Lebensmitteln verursacht wurde).

Und auch wenn es nicht ganz einfach ist die eigenen Emotionen zu zügeln, ist uns wohl allen klar, welche der beiden Varianten energie-schonender ist. Und unsere mentale Energie ist nun einmal sehr begrenzt und darum ein wertvolles Gut! Und mit diesem Gedanken verlasse ich euch nun und wünsche euch (weiterhin) viel Gelassenheit…

Fazit: Dieser philosophische Leitfaden richtet sich besonders an Einsteiger im Stoizismus und erklärt praxisnah, anschaulich und leicht verständlich wie man die Lehren der Stoiker in unseren modernen Alltag übertragen kann. Mit alltäglichen Beispielen und 12 praktischen Übungen ein guter Einstieg zu einem gelasseneren Leben. 


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Die Weisheit der Stoiker. Ein philosophischer Leitfaden für stürmische Zeiten von Massimo Pigliucci
Aus dem Amerikanischen von Frank R. Kiesow
288 Seiten, Taschenbuch
Erschienen im Juni 2019
Piper Verlag

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