Ein enttäuschender Abend mit „Die verlassene Bibliothek“ | Escape-Spieletest
Was war ich begeistert, als mir meine Schwester das Rätselspiel „Die verlassene Bibliothek“ geschenkt hat. Wir haben uns auf einen gemütlichen, gemeinsamen Spieleabend gefreut. Leider wurden wir enttäuscht – und sind laut Online-Rezensionen wohl nicht die einzigen gewesen.
„Die verlassene Bibliothek“ – Ein Escape-Spiel:
Das Prinzip der Escape-Spiele dürfte hinlänglich bekannt sein. Im Rahmen einer mehr oder weniger ausführlichen Geschichte müssen (oftmals aufeinander aufbauende) Rätsel gelöst werden. Der Titel „Die verlassene Bibliothek“ macht natürlich Lust auf den Rätselspaß und lässt einen spannenden Spieleabend erhoffen. Und so stellt der Verlag selbst das Spiel vor:
Die Spieler begeben sich auf eine spannende Rätsel-Reise durch die verlassene Bibliothek. Eigentlich wollten sie nur kurz in den Büchern stöbern, doch plötzlich sitzen sie fest und die Tür nach draußen ist verschlossen. Um sie zu öffnen, müssen verschiedene Rätsel gelöst werden. Nur mit intensiver Zusammenarbeit können die Spieler es schaffen, den Weg aus der verlassenen Bibliothek zu finden.
Dieses handliche Escape-Game ist ein reines Kartenspiel und eignet sich perfekt für Einsteiger, denn die auf den ersten Blick kleine Schachtel bietet riesengroßen Rätselspaß. Insgesamt 18 Rätsel müssen gelöst werden, um letztendlich den vierstelligen Code der verschlossenen Ausgangstür lösen zu können. Anders als bei anderen Escape-Spielen bleibt das Spielmaterial hier übrigens unversehrt und ist so immer wieder verwendbar.
Produktbeschreibung des Moses Verlag
Warum weise ich nun so umständlich auf die Spielebeschreibung hin anstatt euch einfach nur das Spiel vorzustellen? Ganz einfach, weil das Spiel, mit dem Namen und Cover sowie der Produktbeschreibung eine gewisse Erwartung bei mir geweckt haben. Und sicherlich auch bei meiner Schwester, was der Grund war, warum sie mir ausgerechnet dieses Spiel schenkte. Leider wurden wir alle (oder sollte ich sagen fast alle) stark enttäuscht.
Überraschung beim Spieleaufbau: Lauter Zahlen statt Wörter
Schon beim Aufbauen des Spieles erlebten wir eine große Überraschung: Sämtliche Rätsel stellten sich als mathematische Logikrätsel heraus. Und ich rede hier nicht nur von Rechenaufgaben, sondern von durchaus komplexen Rätseln bei denen man teilweise stark um die Ecke denken musste. Auch die mitgelieferten Lösungshinweise, die man im übrigen erst einmal dem jeweiligen Rätsel zuordnen musste, halfen uns kaum weiter. Positiv lässt sich sagen, dass man stets mehrere Rätsel parallel lösen muss. Das bedeutet, dass wir uns in Kleingruppen an einzelnen Rätsel versuchten und die Rätsel auch tauschen konnten, wenn gar nichts mehr ging. Dennoch kamen wir mit dem Lösen kaum voran. Meine Eltern hatten bereits nach 5 Minuten jeglichen Spaß am Spieleabend verloren, und auch ich wurde im Laufe des Spieles zunehmend gereizter.
Lustigerweise (oder sollte ich sagen glücklicherweise) hatten wir einen IT’ler in der Runde dabei, der tatsächlich voll auf seine Kosten kam. Wobei fraglich ist, wie viel Spaß er dabei hatte fast alle Rätsel alleine zu lösen und uns danach mühsam die Lösung erklären zu müssen. Und selbst er brauchte bei einigen Rätseln eine ganze Weile und erkannte einige Rätsel bzw. die dahinterliegenden Lösungen aus seinen Vorlesungen wieder. Das sagt dann auch schon alles über den Schwierigkeitsgrad.
Wer gerne kommunikative Spiele mag, dem empfehle ich die Daheim-Version des Krimi-Dinners mit Culinario Mortale: Expedition in den Tod. 5 bis 7 Spieler müssen in 2 bis 4 Stunden herausfinden, wer unter ihnen den Mord begangen hat. Doch das gelingt nur, wen sich alle gegenseitig ausfragen und der Lügner in der Runde sich ertappen lässt… Hier geht’s zu meiner Spiele-Kritik.
Falsche Erwartung, falsche Vermarktung
Und hier sind wir auch schon beim Hauptkritikpunkt: Bestimmt ist das Escape-Game für Mathefreunde das ideale Spiel! So wird es aber nicht vermarktet und verkauft. Man muss schon bezweifeln, dass dieses Spiel sich innerhalb von 60 bis 90 Minuten spielbar ist, wir haben mit 5 Personen deutlich länger gebraucht (ok, zugegebenermaßen hat nur eine Person ernsthaft gespielt bzw. Rätsel gelöst). Und Kinder ab 10 Jahren – im Übrigen eine Alterseinschätzung, die ich absolut nicht nachvollziehen kann – hatten wir erst recht nicht dabei. Wobei die Rätsel absolut nicht schlecht waren und durchaus Knobelspaß versprechen, der nicht bereits nach 5 Minuten beendet ist, wie bei anderen Spielen dieser Art. Allerdings sollte das Spiel dann halt eher „Der verlassene Mathematik-Hörsaal“ heißen und mit entsprechender Schwierigkeitsauszeichnung vertrieben werden. Dann wird’s nämlich ne Runde Sache!
Fazit: Wer Wort-Rätsel oder Anspielungen auf Bücher erwartet, wird schwer enttäuscht werden! Ein anspruchsvolles Logik-Spiel für Mathe-Liebhaber, geeignet für Profis im Rätsel-Game. Leider lädt die Aufmachung und Spielebeschreibung fälschlicherweise zum Verschenken an Buch-Fans ein, die werden aber außer der hübschen Spieleverpackung wenig buchige Bezüge entdecken. Also Vorsicht beim Verschenken!
Jetzt seid ihr gefragt!
Kennt ihr alternative Spiele, die wirklich super für Bibliophile sind?
Oder ähnliche Spiele, die fälschlicherweise den Eindruck vermitteln ein super Geschenk für Buchbegeisterte zu sein? Schreibt gerne eure Erfahrungen in die Kommentare, ich suche immer nach tollen Spielideen!
[Werbung]
Die verlassene Bibliothek. Ein Escape-Spiel von Leo Colovini
Inhalt: 90 Spielkarten + Spielanleitung (kann mehrfach gespielt werden)
Alter: Ab 10 Jahren
Dauer: 60 bis 90 Minuten
Spieler: 1 – 4 Personen
Produktnummer: 090351
Moses Verlag