[Rezension] „Monokultur. Alternative für Andi“ von Johannes Finkbeiner
Im Dezember stieß ich bei BücherKaffee auf eine Bücher-Empfehlungsliste von Sebastian. Das Buch Monokultur. Alternative für Andi machte mich bereits durch seinen Klappentext neugierig. Der Aufstieg einer rechtspopulistischen Partei wird aus der Perspektive eines gesellschaftlich nicht stark Begünstigten geschildert, um mal das unschöne Wort Verlierer zu vermeiden.
Monokultur. Alternative für Andi von Johannes Finkbeiner
Der Übersetzer Andi führt ein durchschnittliches Leben: Von seiner Freundin getrennt, die das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter erhielt, hält er sich mit einem Job bei einem Übersetzungsunternehmen nur knapp übers Wasser. Trotz seiner festen Arbeit kann er sich von seinem Lohn wenig leisten. Das belastet auch das Verhältnis zu seiner Ex-Freundin und damit den Umgang mit seiner Tochter. Doch Andi scheint sich mit seinem Leben arrangiert zu haben, Gesellschaft findet er bei seinem Nachbarn Rachid und dessen kleiner Tochter Hannah.
Durch einen Zufall lernt er die im Nachbarhaus wohnende Gabi Gassmann kennen. Sie und ihr Mann Ulf führen die neue Bewegung Direkte Demokratie an, die es rasch zur Partei bringen möchte. Vor allem macht sie sich dabei mit steilen Thesen gemein mit Rechten und schürt einen simpel gestrickten Flüchtlingshass. Als Andi im Gegenzug zu einer Gehaltserhöhung um Mithilfe und seine Übersetzungsleistung gebeten wird, zögert er nicht lange. Er ist schließlich nur ein kleines Rädchen und die Partei doch nicht wirklich ernst zu nehmen, oder?
Simpler Plot, simple Botschaft?
Das in Monokultur. Alternative für Andi beschriebene Deutschland ist sehr simpel aufgebaut. Von verschiedenen Kommentaren zu niedrigen Arbeitnehmerlöhnen abgesehen, wird das Bild kaum ausgefüllt. Gesellschaftliche Strömungen sucht man vergebens, was aber daran liegen könnte, dass Andi sich in einer Blase bewegt. Die schlimme wirtschaftliche Situation, die für die Übersetzungsbranche sicher auch in der Realität nicht rosig sind, lässt einen fast an dystopische Romane mit starkem Klassensystem denken. Das wird aber leider nicht ausgebaut. Stattdessen konzentriert sich der Roman vollständig auf Andi. Doch obwohl man als Leser an allen Gedanken teilhat, wirkt Andi irgendwie nicht vollständig für mich. Einerseits reflektiert er sehr genau, andererseits scheint er sehr idiotenhaft. Ich habe mich beim Lesen oft gefragt, ob Andi unnötig idiotisch dargestellt wird, um erklärbar zu machen, dass er auf die Populisten hereinfällt. Trotz mehrfacher Warnungen von (Ex-) Arbeitskollegen und den sehr offensichtlichen fremdenfeindlichen Tendenzen bemerkt er nicht, auf welche Katastrophe er zuschlittert. Besonders auffällig wird der Kontrast zu einer guten Reflexion, wenn Andi Übersetzungen für Greenpeace anfertigt, die sprachlich überaus gelungen sind. Im Gegensatz dazu steht Andis unreflektierter Umgang etwa mit rassistischen Kommentaren eines Arbeitskollegen.
„Kann schon sein, Murat. Aber ganz ehrlich, ich hab keine Lust, wegen eines Möchtegern-Ariers meine Stelle zu riskieren. Die Sprüche nerven, aber ich kann damit leben. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen.“ Seite 84
Gegen Ende bereut Andi einen Teil seines Verhaltens, ironischerweise arbeitet er parallel wie in Trance einen Auftrag von Heckler & Koch (einem Waffenhersteller) ab. Insgesamt scheint mir Andi als Figur zu überspitzt idiotenhaft, als dass ich ihm seine Handlungen abkaufen könnte. Das trübte leider ein wenig mein Leseerlebnis, denn insgesamt fand ich den schmalen Roman sehr gut und wichtig! Laut Klappentext ginge es um Schuld und Gleichgültigkeit, besonders letztere wird eindrucksvoll aufgezeigt und ebenso ihre gesellschaftlichen Konsequenzen. Nicht nur die Entwicklung der rechtspopulistischen Partei, auch Fremdenfeindlichkeit oder simpel der Kampf gegen den sozialen Abstieg auf Kosten anderer werden durch Andis Desinteresse sowie das der anderen Figuren befeuert.
Fazit: Ein aktueller Roman über Gleichgültigkeit und Desinteresse an gesellschaftlicher Entwicklung und den Folgen, sprachlich manchmal nicht ganz rund, aber ein wichtiges Thema aufgreifend, zu dem ich mir gerne weitere Literatur wünsche!
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Monokultur. Alternative für Andi von Johannes Finkbeiner
Acabus Verlag
Taschenbuch
204 Seiten, 14 Euro
ISBN 9783862825356
10 Kommentare
Janna | KeJas-BlogBuch
Eine schöne knackige Rezi, die mit allem Wichtigen was mich zum Kauf oder Nicht-Kauf einher kommt 😉 Hmmm, muss ja gestehen das ich nicht so in politischer (o.ä.) Literatur angesiedelt bin, a doch lieber Dokus und ähnliches.
Schade, das das Buch am Ende einen bitteren Beigeschmack hatte, dies nimmt ja immer viel Einfluss bei mir – egal welche Thematik oder Genre, das Ende muss/sollte stimmig sein
Jennifer
Liebe Janna,
empfehlen kann ich den Roman aufgrund seiner Aktualität trotzdem, er hat mich auch nachdenklich gemacht. Ich denke, ich bin inzwischen durch das Studium und mein geändertes Leseverhalten einfach eine andere Sprache gewöhnt und das irriterte mich. Schau sonst einfach einmal in die Leseprobe, wie du es empfindest. Ich kann dir den Roman auch gerne leihen (er wird wohl auch bei dem ein oder anderen Freund landen), wenn du ihn dir näher anschauen möchtest 🙂
VG und weiterhin Gute Besserung dir!
Jennifer
Janna | KeJas-BlogBuch
Danke dir, heut ist schlimmer als gestern -.- Verstehe einer den Körper …
Ich wird mal nach der Leseprobe schauen und ggf. auf dein Angebot zurückkommen <3
Hoffe dir geht es wieder besser?
Jennifer
Hallo Janna,
es schwankt immer noch ein wenig, aber ich bin zumindest schon wieder in er Lage, unterwegs zu sein. Hoffentlich hast du es auch hinter dir!
Das Angebot bleibt bestehen, wenn du ihn haben willst, sende ich ihn dir gerne zu. Finde das auch ganz schön, wenn Rezi-Exemplare ein wenig die Runde durch die Bloggerwelt machen und der Verlag hat sicher nichts dagegen 😀 Schick mir in dem Fall einfach deine Adresse als Mail oder bei Twitter als DM, wenn du die Zeit und Lust für dieses kleine Buch findest 😉
VG und weiterhin gute Besserung!
Jennifer
meinereisezumeigenenbuch
Hey Jenny,
danke für die schöne Rezension. Ich finde auch das Cover wirklich gut gestaltet. Sowas ist mir immer wichtig um ein gutes Buch sozusagen abzurunden 🙂
LG, Daniela
Jennifer
Hallo Daniela,
ja, das Cover fand ich auch total toll! War auch einer der Gründe, warum ich nicht lange über das Buch nachdenken musste. Für mich müssen Cover und Inhalt einfach zusammenpassen! 🙂
VG Jennifer
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Krissi
Hallo Jennifer,
das Buch klingt ja interessant. So ein wichtiges politisches Thema ist ja nicht immer leicht in einem Roman zu verarbeiten. Schade, dass die Figur ein wenig überspitzt ist, aber trotzdem klingt es für mich vielversprechend.
Liebe Grüße,
Krissi
#litnetzwerk
Jennifer
Liebe Krissi,
wichtig und aktuell ist das Thema auf jeden Fall! Ich denke, die Figur war überspitzt um das Liebäugeln mit der Partei zu erklären. Ich lese sonst auch eher literarischer Geschriebenes, vielleicht hat es mir daher um so mehr irritiert. Dennoch war es ein interessantes Buch! Falls du es probierst, wünsch ich dir viel Spaß beim Lesen 🙂
VG Jennifer
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