[Rezension] Wenn die Angst ständig begleitet: „Rattatatam, mein Herz“ von Franziska Seyboldt
Wie ist es, wenn die Angst einen immer begleitet? Wenn sie das ganze Leben bestimmt? Franziska Seyboldts Roman über ihre Angststörung erregte bereits zu seinem Erscheinen viel Aufmerksamkeit. Auch auf der Buchmesse habe ich schon mit mir gerungen, aber ich wusste, dass ich in den kommenden Monaten einfach wenig Zeit zu lesen haben würde und blieb standhaft. Als ich auf der LitBlogCon, der ersten Buchveranstaltung abgesehen der Buchmessen, die ich in meinem Leben besuchen konnte, ein Plakat von Rattatatam sah und mich die freundlichen Verlagsvertreter fragten, ob mich denn ein bestimmtes Buch interessieren würde, da wurde ich dann doch schwach. Schnell schickte man mir den Roman zu meinem Freund (meine aktuelle Buchpost-Adresse) und er nahm es nicht minder neugierig in Empfang.
Rattatatam, mein Herz
Franziska hat Angst. Immer wieder, immer unvorhersehbar. Obwohl sie einen guten, wenngleich stressigen Job hat, obwohl man ihr die Angst nie ansieht. Denn dafür tut sie alles: Bloß nicht auffallen, sich nichts anmerken lassen! Und doch will sie sich von der Angst nicht beherrschen lassen. Sie schreibt gegen die Angst an, denn wenn die Journalistin eines gut kann, dann ist es schließlich mit Worten umgehen.
Rattatatam, mein Herz ist nicht deshalb gelungen, weil ich es eine gut konstruierte Geschichte erzählt. Es ist gelungen, weil es persönlich ist, weil es nachvollziehbar ist und weil es menschlich ist. In kurzen Kapiteln lernen wir sie als Mensch kennen und ihre Angst ebenso. Und erhalten nebenbei Einblicke in ein Leben, das wenngleich nicht dominiert wird von Angst, trotzdem eingeschränkt ist durch die schiere Möglichkeit einer Angstattacke.
Die Angst, der ständige Begleiter
Ich glaube, die wenigsten werden vor diesem Buch etwas über Angststörungen gewusst haben. Ich selbst wusste nur Bruchstücke und diese erwiesen sich als falsch. Weder passte Franziska Seyboldt in mein Bild eines angstvollen Menschen noch beeinflusste die Angst ihr Leben, wie ich es mir vorgestellt hatte. Genau dies thematisiert sie nebenbei und macht auch klar, worin ihre Motivation liegt: Im Ausräumen von Vorurteilen. Und gleichzeitig sensibilisiert sie für Menschen mit Ängsten, denn ich glaube, allzu leicht geht man im hektischen Alltag über die Gefühle anderer hinweg. Das jeder von uns, aber insbesondere Menschen mit Ängsten, das Beachten ihrer Gefühle einfordern müssen, war für mich die größte Lehre meiner Lektüre. Die Personifikation der Angst fand ich stellenweise zu plastisch, zu salopp, doch wer bin ich, über anderer Menschen Wahrnehmungen zu werten? Diese Form von Sensibilisierung ist notwendig und wird während des Lesens so leicht vollzogen, dass es mir erst im Nachhinein auffiel. Und dabei so nachvollziehbar und persönlich, dass man mit Frau Seyboldt einfach nur mitfühlen kann.
Fazit: Ein unglaublich starkes Buch mit leisem Tonfall! Sensibilisiert und räumt mit Vorurteilen auf, ohne moralischen Zeigefinger oder Anklage. Lesenswert.
Weitere Meinungen
„Es ist wichtig, dass es Bücher wie Seyboldts gibt. Dass es Menschen gibt, die sich trauen, darüber zu reden, Vorurteile aus dem Weg zu räumen und andere zu ermutigen, sich nicht aus Scham zu verstecken, sondern Hilfe zu suchen.“ bei Literaturen
„Ein Buch, das informiert, aber längst nicht so langweilig ist wie ein Sachbuch sein könnte. Das ist für das Phänomen „Angststörung“ ein großes Glück.“ bei Leckere Kekse, übrigens haben die beiden ein interessantes Konzept ein Buch zu zweit vorzustellen!
„Dieses Buch ist für Leser, die einen mutigen Erfahrungsbericht lesen möchten. Leichtfüßig aber dennoch nicht oberflächlich sensibilisiert „Rattatatam, mein Herz“ für ein Thema, über das noch viel öfter offen und ehrlich gesprochen werden sollte.“ bei Sommerdiebe
Das Buch
Rattatatam, mein Herz. Vom Leben mit der Angst von Franziska Seyboldt
erschienen 2018
Kiepenheuer & Witsch