So schöne Lügen von Tara Isabella Burton
Rezension

Toxische Freundschaft: „So schöne Lügen“ von Tara Isabella Burton

Mit einer spannend klingenden Story hat So schöne Lügen mich sofort neugierig gemacht. Allerdings habe ich mich beim Lesen so manches mal unwohl gefühlt und war sogar kurz davor das Buch abzubrechen. Denn mit jeder Seite wächst das beklemmende Gefühl sich der Katastrophe zu nähern.

Eine ungleiche Beziehung

Was würdest du tun, wenn du auf einmal eine reiche, großzügige Freundin hast, die dich in ihrer großen, luxuriösen Wohnung leben lässt und genug Geld hat um dein Leben nebenbei mitzufinanzieren?

Luise hat kein einfaches Leben: Mit drei Jobs reicht das Geld meist gerade so für ihre Miete und doch hat sie nie mehr als ein paar Hundert Dollar als Reserve. Dabei wollte sie doch in New York leben, um sich ihren Traum zu erfüllen und endlich als Schriftstellerin durchzustarten. Durch einen ihrer Jobs begegnet sie der reichen Lavinia, die eigentlich nur einen Babysitter für ihre jüngere Schwester sucht. Und dann überschlägt sich ihr ganzes Leben: Wie in einem Rausch zieht Lavinia Luise in ihr Leben. Bald schon nimmt Lavinia sie nicht nur mit auf die angesagtesten Partys, sondern versorgt sie auch mit Kleidung und Geld. Und Luise gibt Stück für Stück ihr altes Leben auf: Sie zieht zu Lavinia, denn warum sollte sie abends in ihre eigene dreckige Wohnung zurückkehren, wenn sie sowieso die meisten Nächste in Lavinias Gästezimmer übernachtet. Sie vernachlässigt ihre Nachhilfeschüler, denn warum sollte sie ihre Zeit mit Nachhilfe verschwenden, wenn sie doch stattdessen eine Kolumne in einem angesagten Magazin veröffentlichen kann? Und Lavinia möchte doch einfach nur ein wenig Bestätigung: Dass sie toll ist, dass ihr Ex ein Arschloch ist und dass Lavinias eigenes Manuskript der Beginn einer großen Schriftstellerkarriere ist. Solange Lavinia glücklich ist, ist alles perfekt…

„Süße.“
Lavinia erstrahlt im Türrahmen. Ihre Perlen schimmern. Ihr Haar ist ein Wasserfall.
„Süße“, sagt sie, und es dauert eine weitere Sekunde, bis Louise begreift, dass sie damit gemeint ist.
„Ich hab dich schon überall gesucht!“
Ihr stählernes Lächeln ist starr und unverwandt auf Louise gerichtet.
„Entschuldige!“ Louise hat keine Ahnung, warum sie so schnell auf die Füße springt. „Ich brauchte ein bisschen Luft.“

So schöne Lügen, Seite 58

Von Opfern und Tätern

Ich muss sagen, dass die Geschichte um die beiden ungleichen Freundinnen Luise und Lavinia mich sofort in den Bann gezogen hat. Die Handlung ist zum Teil vorhersehbar, was sie aber nicht langweilig macht. Denn zu verfolgen wie Luise immer abhängiger von Lavinia wird und sich eine regelrecht toxische Beziehung entwickelt war manchmal wirklich nicht einfach. Dabei ist Luise nur auf den ersten Blick ein hilfloses Opfer Lavinias. Denn sie ist intelligent und lässt sich ganz bewusst immer tiefer in Lavinias Netze ziehen – im Glauben Lavinia beherrschen zu können. Eigentlich ist es fast schade, dass die Geschichte komplett aus Luises Sicht erzählt ist, denn Lavinias Beurteilung der Freundschaft wäre sicherlich ebenfalls spannend gewesen. Luise selbst blickt fast auf Lavinia herab und sieht in ihr hauptsächlich ein Mittel ihrem eigenen Leben zu entkommen. Und gerade Luises Unzufriedenheit dem Leben gegenüber machte sie mir schon sehr früh unsympathisch. Dass ich eine erzählende Figur so unsympathisch fand, ist mir zuletzt bei Greenwash Inc. geschehen (ebenfalls ein sehr gutes Buch aus dem Hause Dumont).

Louise darf sich nicht über sie ärgern. Louise darf nicht wütend werden. Louise hat keinen Schlüssel.
„Ist schon gut“, sagt Louise. „Dir fehlt nichts. Dir fehlt nichts. Alles ist gut. Ich bin ja da. Alles gut.“
Die Sache ist nur die: Sie lügt.

So schöne Lügen, Seite 116

Im Original heißt das Buch übrigens Social Creature und auch dieser Titel ist wie der deutsche Titel sehr gut gewählt! Denn am Ende klafft ein meilenweiter Graben zwischen der Realität und dem schönen Schein. Und diesen Schein wollen beiden Frauen unter allen Umständen und mit allen Mitteln bewahren. Dabei belügen sie nicht nur Freunde, Familie und ihre gesamte Umwelt, sondern auch sich selbst regelrecht. Und während eine Lüge zur nächsten führt und sich die Schlinge immer weiter zuzieht, kann man als Leser nichts anders tun als der drohenden Katastrophe zu folgen. Das beklemmende Gefühl baut sich beim Lesen immer weiter auf und wurde oft so stark, dass ich die Geschichte wochenlang pausieren musste. Gleichzeitig wollte ich so sehr wissen, wie die Story ausgeht, dass ich mich nie dazu durchringen konnte das Buch endgültig abzubrechen. Und so vorhersehbar die Handlung zu Beginn noch wirken mag, so überraschend entwickelt sich die Geschichte. Und auch hier gelingt es Burton grandios den Spagat zwischen unvorhersehbarer Spannung und erwartbarer (beklemmender) Folgen zu halten. Am Ende war So schöne Lügen ein Buch, dass mich nicht nur lange begleitet hat, sondern einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat.

Fazit: Ein Buch über eine erdrückende Co-Abhängigkeit, die nach außen hin wie eine Freundschaft wirkt, über den schönen Schein und tiefgreifende Lügen. Burton spinnt ein beklemmendes Netz, in das sich ihre Charaktere wissend begeben und in dem am Ende alle gleichermaßen Täter wie Opfer sind. Absolute Leseempfehlung!

Weitere Stimmen zum Buch:

Gabriela vom Buchperlenblog war ebenfalls begeistert: „Für mich ein absolutes Highlight, das mir da in die Hände gefallen ist.“

Ricy von Ricy’s Reading Corner bemängelt vor allem den Schreibstil, auch wenn sie insgesamt zu einem positiven Eindruck kommt: „Der Schreibstil ist etwas gewöhnungsbedürftig, doch wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, erkennt man, dass er sehr passend gewählt ist.“


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So schöne Lügen von Tara Isabella Burton
Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann
336 Seiten
Hardcover
Erschienen im Mai 2019
Dumont Buchverlag

2 Kommentare

  • Tina

    Hi Jenny,

    ich kann mich noch erinnern, dass ich das Cover sehr gern mochte und auch die Inhaltsangabe gut klang, aber so recht konnte ich mich nicht dafür entscheiden.
    Toxische Liebesbeziehungen, darüber liest man immer wieder. ich will nicht sagen, das ist man gewohnt, aber man kennt es.
    Über toxische Freundschaften zu lesen ist selten und irgendwie, puh, stirbt damit der heilige Gral der Freundschaft. Denn Freunde können ja wie Familie sein. In Jugendbüchern hab ich das eher mal thematisiert gesehen, wenn ich weiter drüber nachdenke.

    Viele Grüße
    Tina

    • Jennifer

      Hi Tina,

      ich finds spannend, dass die toxische Freundschaft für dich problematischer ist als die toxische Liebesbeziehung. Ich glaube aber, ich kann deine Gedanken dazu nachvollziehen. Am Ende ist man toxische Beziehungen eben irgendwo schon „gewohnt“, ganz blöd ausgedrückt. Wobei ich sagen muss, dass die beiden Protagonistinnen für mich tatsächlich gar keine wirklichen Freundinnen sind. Im Prinzip benutzen sie sich gegenseitig und denken jeweils von der anderen, dass dieser ers nicht auffällt, sind sich aber zu jeden Zeitpunkt bewusst was geschieht. Wobei es das beim Lesen irgendwo nochmal schlimmer gemacht hat.

      Kann aber verstehen, warum du vor dem Buch zurückschreckst. Ich hatte es auch lange unangerührt bei mir liegen, weil ich es nicht lesen wolte/konnte als ich selbst gerade ein Tief hatte…

      Falls du es dennoch lesen magst, leih ich es dir gerne und bin dann auf deine Meinung gespannt 😉
      LG Jennifer

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