[Unterwegs] Mein erstes Literaturcamp
Vorletztes Wochenende war ich zu Besuch in Hamburg, denn dort fand das erste Literaturcamp Hamburgs statt. Auch für mich war es das erste Mal und ich bin sehr froh, diese intensive Erfahrung gemacht zu haben.
Freitag; Anreise und Müdigkeit
Meine Anreise stand unter keinem guten Stern. Nachdem schon meine Schlafgelegenheit kurzfristig abgesagt wurde, hatte ich über Twitter einen neuen Schlafplatz bei der lieben Anja angeboten bekommen. Leider sagte dann wenige Tage vor Abreise meine Mitfahrgelegenheit ab. Zum Glück ward schnell eine neue gefunden und im Nachhinein betrachtet war ich noch nie so froh über eine Mitfahrgelegenheit: Meine Fahrerin studierte nämlich ebenfalls Germanistik an meiner Universität und wir haben uns über Literatur, gute Kurse und was wir noch alles lesen wollen unterhalten. Insgesamt haben wir wirklich wenig stille Fahrtzeit gehabt und das merkte ich dann auch daran, dass meine beiden mitgeführten Bücher weitgehend ungelesen blieben.
Samstag; ein Tag voller Eindrücke
Den Samstag habe ich als intensivsten Tag wahrgenommen. Wir sind morgens sehr früh aufgestanden und direkt zum Litcamp gefahren. Zum Glück hatte ich Anja, die mich durch den Hamburger Nahverkehr lotste. Noch vor dem ersten Kaffee wäre ich sonst sicherlich nicht so problemlos auf dem Litcamp-Gelände angekommen. Das ist übrigens auch noch ein Wort wert, denn die Veranstaltung fand in einer Kirche statt. Es gab kleinere Räume für die Sessions und den Hauptraum der Kirche. Dort fand auch die Begrüßung nach dem Frühstück statt. Wer wie ich noch nie auf einem Literaturcamp war, fand dies besonders spannend: Nach allgemeinen Erläuterungen zum Ablauf gab es eine kurze Begrüßungsrunde und jeder, der mochte, konnte sich kurz mit Namen und Blog (oder als Autorin oder Verlagsmensch) vorstellen. Außerdem konnte man drei Hashtags nennen, bei denen ich vor lauter Aufregung nicht verstanden habe, ob es drei lustige Hashtags sein sollten, die einen selbst beschreiben, oder drei Hashtags, die man normalerweise auch wirklich verwendet. Was ich interessant fand, war die Zusammensetzung der Menschen. Wie auch auf den Buchmessen schon, kannte ich nur einen Bruchteil der Personen vor Ort näher und neben vielen Namen, die ich zumindest schon mal gehört hatte oder über das Netz kannte, waren auch etliche dabei, die mir gänzlich neu waren. Etwas überrascht hat mich der große Anteil an Autoren vor Ort, damit hatte ich gar nicht unbedingt gerechnet.
„Literatur vom rechten Rand in der Mitte des Buchmarkts“
Gestartet habe ich dann mit einer richtigen guten Session zu rechten Verlagen auf der Frankfurter Buchmesse und dem Problem, wie man mit problematischen Büchern im Buchmarkt umgehen könnte und sollte. Gehalten hat sie Marion von schiefgelesen und auch im Nachhinein noch einmal einen tollen Beitrag dazu verfasst. Ich kannte viele der Verlage und Personen dem Namen nach, weil ich vor einer Weile bereits einmal das informative „Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes“ von Volker Weiß gelesen hatte. Allerdings waren mir die Zusammenhänge nicht mehr so aktuell. Außerdem wurde dann auch diskutiert, wie der Handel beispielsweise mit einem Buch wie dem neuen Sarrazin umgehen sollte oder ob Buchhändler eigentlich den Unterschied bemerken, wenn ein Autor zB von einem alteingesessenen Verlag zu einem rechten Verlag wechselt. Was mich natürlich in diesem Zusammenhang aufregt ist die oft beschworene Meinungsfreiheit, die eigentlich „Ihr müsst mir alle zuhören und zustimmen“ meint. Die Diskussion im Anschluss an die Session war auf jeden Fall bunt und sehr interessant!
Ein Tag als Lektor?!
Von dieser Session hatte ich mir ein wenig mehr versprochen: Zwei Lektorinnen des Carlsen Imprints Dark Diamonds stellten einen Tag als Lektorin vor. Statt jedoch um den Beruf Lektor ging es viel um das Programm bei Dark Diamonds. Viele kleine Hinweise zum Verlagsalltag habe ich nur zwischen den Zeilen herauslesen können, da hätte ich mir ein bisschen mehr Offenheit gewünscht. Gerade Carlsen als großer und beliebter Verlag hat es eigentlich nicht nötig sich so zu verstecken!
Gute Rezensionen, again!
Als nächstes besuchte ich eine Session, in der es darum ging, wie man Rezensionen besser machen kann. An sich ein spannendes Thema und ich habe auch eifrig mitdiskutiert. Was ich ein wenig schade fand, war, dass die Diskussion sich schnell um Wortwahl drehte und nicht mehr inhaltlich diskutiert wurde. Da waren dann viele Beiträge nicht mehr wirklich fruchtbar. Interessant fand ich wie immer die Eindrücke der anderen Diskutierenden, zum Beispiel zur Beliebtheit von Rezensionen im Vergleich zu Interviews. Da habe ich auch den einen oder anderen Denkanstoß für mich bekommen, plane ich doch in Zukunft auch das eine oder andere Interview mal versuchsweise durchzuführen.
Zusammenarbeit von Blogger*innen & Autor*innen
Im Anschluss gab es direkt die nächste Session, die auch wieder eher diskussionslastig war. Diesmal ging es darum, wie Autor*innen direkt mit Blogger*innen zusammenarbeiten können. Einerseits fand ich die Diskussion interessant, weil der Kontakt zu Autor*innen natürlich meist noch einmal persönlicher ist. Hier ergeben sich auch ganz neue Möglichkeiten, zum Beispiel Interviews, Blogtouren oder sogar Wohnzimmerlesungen durchzuführen. Andererseits hat es schnell etwas von „Blogger*innen für Marketing“ einspannen und ich sehe es durchaus kritisch, wenn Autor*innen enttäuscht oder gar sauer sind, weil Blogger kurzfristig keine Beiträge über sie machen können oder wollen. Im Grunde finde ich es schön, wenn Autor*innen und Blogger*innen sich einander annähern, aber eben nicht, wenn dies nur im Rahmen einer heranrückenden Bucherscheinung passiert. Dennoch habe ich auch hier einiges für mich mitgenommen, beispielsweise die Lust, mal an einer Blogtour teilzunehmen!
Kommunikation, Baby!
Als letzte Session an diesem Tag habe ich noch die Session von Jen und Babsi zu aktiven und passivem Zuhören und gewaltfreier Kommunikation besucht. Diese war eher wie ein Vortrag aufgebaut, was aber gar nicht schlimm war. Es gab jede Menge Infos zu Kommunikation und zum Zuhören und besonders den Teil über gewaltfreie Sprache fand ich spannend. Ich habe mir bisher wenig Gedanken gemacht, ob meine Sprache andere eigentlich unter Druck setzt. Dazu möchte ich in Zukunft mehr erfahren und werde mir das empfohlene Buch einmal näher ansehen.
Abendlicher Ausklang mit Buchgesprächen
Nach all diesem Input fühlten Anja und ich uns zu müde für die Lesungen, die ich ursprünglich eigentlich hatte besuchen wollen. Stattdessen waren wir in einer gemütlichen Runde mit einigen anderen noch was Essen und sind danach heim gefahren. Der Plan war früh ins Bett zu gehen, aber natürlich haben wir uns dann vor Anjas Bücherregal festgesessen und das Ergebnis werdet ihr in einigen Tagen verbloggt bekommen 😉
Sonntag; Müdigkeit, eine spontane Session und Rückreise
Am Sonntag machte sich dann der Schlafmangel so langsam bemerkbar und ich fühlte mich trotz Kaffee irgendwie unausgeschlafen und verkatert. Daher war ich ganz froh, dass die Begrüßungsrunde am zweiten Tag weg fiel. Am Samstagabend hatten Luise von aufgeblättert und ich beschlossen eine Session durchzuführen, für die wir uns recht spontan mit zwei zueinander passenden Ideen zusammen getan hatten.
Druckkostenzuschussverlage – A never ending story
Kia stellte in kleiner Runde einige Druckkostenzuschussverlage vor, mit denen sie Mailverkehr hatte. Ihre Erfahrungen hat sie sehr offen geteilt und das war wirklich spannend zu hören. Ich bin immer sehr wütend, wenn ich irgendwo etwas von Druckkostenzuschussverlagen mitbekommen und daher war ihr Ansatz zur Aufklärung wirklich toll! Sie hat auch einen sehr umfangreichen Blogartikel zu dem Thema verfasst: Lügen, Wucher und Ruin: Autoren-Fishing und der Druckkostenzuschussverlag
Blogger*innen als Dienstleister?!
Zu Luises und meiner eigenen Session will ich gar nicht so viel sagen, denn ich bin eindeutig befangen 😉 Als kleiner Eindruck hier nur die von Kia gemalte SketchNote, die die Diskussion meiner Meinung nach wirklich gut zusammenfasst:
Selbstverteidigung mit Mari
Mareike hat in einer eigenen kleinen Session am Rande ein paar Grundgriffe zur Selbstverteidigung mit uns geteilt und für mich war das eine sehr erhellende Session. Ich weiß nicht, wann ich es schaffe, aber ich werde sicher einen tiefergehenden Selbstverteidigungskurs machen in naher Zukunft!
Epische Sätze / Liebesromane – alles gleich?
Meine letzte besuchte Session drehte sich um Liebesromane und epische Sätze, aber ich muss leider sagen, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr aufnahmefähig war. Von daher war ich fast froh, als das Litcamp sich dem Ende zu neigte und es ans Aufräumen ging…
Die Rückfahrt nach Leipzig war denn auch relativ unspektakulär: Ich war müde, ich konnte nichts mehr lesen und ich wäre mehrfach fast weggenickt. War ich froh, als ich ins Bett konnte!
Litcamp – once again?
Alles in allem fand ich das Litcamp super spannend! Trotz Müdigkeit und zeitlichem Stress zwischen den Sessions konnte ich mich endlich mal näher mit einigen lieben Menschen unterhalten, das ist etwas, was ich auf den Messen regelmäßig einfach nicht schaffe. Sehr gerne würde ich daher wieder ein Litcamp besuchen!
Leider habe ich nirgendwo die Videos der gestreamten Sessions gefunden, die hätte ich mir im Nachhinein gerne noch angesehen. Denn es gab einfach zu viele spannende Sessions parallel als das man alle, die einen interessierten, hätte besuchen können! Auch das ein Grund, warum ich unbedingt wieder auf ein Litcamp fahren möchte…
9 Kommentare
Anna
Ein schöner Artikel! Spannend, einen Einblick in deine Meinung zu bekommen – aber auch nochmal ein kleines Fenster in die Sessions, bei denen ich ohne Zeitumkehrer nicht auch noch anwesend sein konnte!
Jennifer
Liebe Anna,
vielen Dank 🙂
Ja, das stimmt, man hat ja leider gar nicht die Zeit für alle spannenden Sessions. Ich habe auch neidvoll über Twitter oder im Nachhinein verfolgt, was es noch alles tolles gegeben hätte. Aber das gehört auch dazu, zu solchen Tagen 😀
Viele Grüße
Jennifer
Mari
Aloha!
Schöner Artikel, danke ^_^ und cool, dass du noch einen Kurs in Selbstverteidigung machen willst! Don’t forget the Ellbogen! 😀
Zu den gestreamten Sessions: die sollen und werden noch online kommen, wir waren nach dem LitCamp nur echt allesamt im Arsch ^^; ich guck aber mal, wie da der Plan unserer IT ist 🙂
Cheerio,
Mari
Jennifer
Liebe Mari,
danke dir für die Einführung! In Leipzig fühle ich mich zum Glück selten unsicher, aber ich bin ja auch anderswo unterwegs.
Ich war so aufgeregt über das Gelernte, dass ich es direkt mal meinem Freund demonstrieren wollte. Der ist 1,80 und macht Taekwondo und hat mir gleich mal gezeigt, dass ich mich aus seinem Griff (dieses mit dem Handgelenk) nicht einfach rauswinden kann. Er meinte auch schon länger, dass ich mal einen Kurs machen sollte und ist jetzt ein bisschen beleidigt, dass ich es erst nach deinem Kurs machen will 😀
Aber Recht habt ihr ja alle beide!
Ach, das hatte ich nicht mitbekommen. Ich dachte irgendwie, dass die Sessions direkt schon gestreamt und hochgeladen werden. Dann warte ich mal geduldig und kriege es bestimmt über Twitter mit, wenn da was kommt! Danke dir jedenfalls mal für den Hinweis.
Liebe Grüße
Jennifer
Lisa
Liebe Jennifer,
Danke für den schönen Beitrag! Toll, so eine komprimierte Zusammenfassung des Camps und der unterschiedlichen Themen die dort besprochen wurden zu bekommen. Klingt als wäre es wirklich spannend und interessant gewesen 🙂
Liebe Grüße!
Lisa
Jennifer
Liebe Lisa,
das war es wirklich! Ich habe es als noch intensiver als die Buchmesse wahrgenommen und werde sicher auch zu weiteren Litcamps fahren wollen 😀
Leider sind die Tickets ja immer so schnell weg…
Auf jeden Fall habe ich jetzt wieder viel zu viel Input für neue Artikel 😀
Liebe Grüße
Jennifer
Isabel
Liebe Jennifer, ein schöner Bericht.
Dein Gefühl zu der „Lektoren-session“ teile ich, da hatte ich mir auch mehr versprochen.
Liebe Grüsse
Isabel
Jennifer
Liebe Isabel,
gut zu wissen, dass das nicht nur mein Eindruck war 🙂
Liebe Grüße
Jennifer
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