"Der Zopf" von Laetitia Colombani
Rezension

Wo ist da die Verbindung? | „Der Zopf“ von Laetitia Colombani

Auch noch Wochen nach der Lektüre von Der Zopf bin ich schwer enttäuscht: Wie kann ein Buch mit solch einer gut klingenden Grundidee nur so simpel gestrickt sein? Statt „einer Feier des Lebens“ (Zitat Klappentext) erwartete mich eine mehr als seichte Feelgood-Story, woran auch die ernsten Anklänge nichts ändern konnten…

Von drei sehr unterschiedlichen Leben

Auf drei Ebenen erzählt dieser Roman von jungen Frauen, die für ihre (ganz persönliche) Freiheit kämpfen: Smita bricht in Indien aus den gesellschaftlichen Konventionen aus und kämpft für die Chance eines besseres Leben für sie selbst und ihre Tochter. Giulia übernimmt in Sizilien nach dem Unfall ihres Vaters den Familien-Betrieb und schwankt unter dem Druck ihrer Familie zwischen einer sicheren Zweck-Ehe und ihrer frischen Liebe. Und in Montreal kämpft die erfolgreiche Anwältin Sarah darum trotz schwerer Krankheit Partnerin in ihrer Kanzlei zu werden und sich vom Krebs nicht ihren Erfolg nehmen zu lassen.

Drei Fäden machen noch keinen Zopf aus

Die Verknüpfung verschiedenen Zeitebenen und verschiedener Leben ist literarisch sehr beliebt. Die Grundidee des Romans ist darum gar nicht schlecht, wenn auch etwas simpel gemacht. Alleine: Drei verschiedene Schicksale, auch wenn man sie mit einer gemeinsamen Erzählung verknüpft, machen noch keine Verbindung aus. Und obwohl man mit viel gutem Willen erkennen kann, an welchen Stellen die Leben der drei Frauen miteinander verknüpft sein sollen, so wirken Aufbau und Verbindung doch allzu konstruiert. Dazu kann der Roman sich scheinbar nicht entscheiden, ob er seichte Feelgood-Stimmung oder ernsthafte Reflektion auslösen möchte. Während der Schreibstil und leider teilweise auch die jeweiligen Kämpfe gegen gesellschaftliche Konventionen an romantische Urlaubs-Romane erinnern, klingen immer wieder ernste Töne an. Doch von einer realistischen Darstellung irgendwelcher Probleme ist das Buch weit entfernt. So ist der monologartig erzählte Schmerz der kanadischen Anwältin Sarah noch am greifbarsten, während der schiere Überlebenskampf Smitas fast schon in den Hintergrund tritt. Und am Ende fehlt vor allem eines: Der titelgebende Zopf.

Spoiler-Hinweis: Ab hier geht’s um das Ende

Und als ob die Autorin ihr eigenes Spiel mit den drei Ebenen am Ende verhöhnen wollte, ist die eigentliche Verbindung zwischen den Frauen so hölzern und konstruiert wie der Rest des Romans: Smita lässt in einem Tempel ihre Haare abrasieren, um Geld für ihre Weiterreise zu verdienen. Guilia beschließt das Familienunternehmen zu retten, indem sie billiges Haar aus Indien einkaufen und umfärben lässt, um das Geschäft der handgemachten Perücken wiederzubeleben. Und Sarah, nach erfolgreicher Chemotherapie und nachdem sie den Kampf um ihre Position in der Kanzlei verloren hat, beschließt ihre Würde durch den Kauf einer Perücke wiederzugewinnen. Und alleine diese drei Szenen verbinden schließlich die drei Frauen über Kontinente hinweg als ließen sich solche Verknüpfungen nicht jederzeit überall ziehen, wenn sie so lose sind. Dabei besteht ein Zopf, wenn man schon diese Anspielung nutzt, doch aus unzähligen miteinander verbundenen Strähnen. Ich hatte mir jedenfalls deutlich mehr von diesem Roman erwartet!

Fazit: Als seichte Sommer-Lektüre geeignet, eine Feier des Lebens oder gar von einzelnen Frauen ist das Buch leider nicht. Ernste Anklänge können den hölzernen Erzählstil leider nicht überdecken und am Ende überwiegt die furchtbare Konstruiertheit der Erzählung.

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Der Zopf von Laetitia Colombani
Übersetzt von Claudia Marquardt
Erschienen im März 2019
288 Seiten, Taschenbuch
Fischer Taschenbuch

2 Kommentare

  • Kathrin

    Eine erfrischende Auseinandersetzung mit dem Roman! Das Buch wurde damals ja sehr vom Verlag gepusht und in der Buchbubble sehr gefeiert. Ich selbst habe mich schon bei der Leseprobe schrecklich gelangweilt, fand die Dialoge hölzern und alles so gekünstelt. Schade, dass sich das durch den ganzen Roman so durchzieht. Aber ich ziehe meinen Hut, dass du die Lektüre trotzdem bis zum Schluss durchgezogen hast.

  • Laura

    Hi Jenni!
    Ich kann mich deiner Kritik nur anschließen – auch ich war sehr enttäuscht von dem Roman!
    Die Idee ist gut, schwächelt aber und findet nur am Ende ein (ziemlich vorhersehbares) Zusammenführen der Erzählstränge. Empowernd wirkt das Buch auch nicht, weil die Figuren dafür zu stereotyp sind. Der Stil könnte angenehm sein, aber eigentlich habe ich mich oft über ihn geärgert, weil er stellenweise so floskelig ist.
    Der Roman war aber dennoch ein ziemlicher Bestseller, oder? Mich würde interessieren, was Leser*innen an ihm mochten – vielleicht kann ja jemensch eine Gegenposition schreiben?
    Danke für die Rezension!
    Lieben Gruß
    Laura

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