Wolfgang Herrndorf "Bilder deiner großen Liebe"
Allgemein,  Rezension

Wolfgang Herrndorf „Bilder deiner großen Liebe“

herrndorf_bilder-deiner-grosen-liebeDieses Buch habe ich in meinem Literaturzirkel gelesen. Ich kannte von Herrndorf bisher nur seinen Blog (Arbeit & Struktur) und war daher sehr gespannt. Ich habe mir jedoch sagen lassen, dass man unbedingt vorher Tschick gelesen habe sollte (dieses werde ich dann irgendwann später im Leben nachholen müssen).

Klappentext

„Die Wärme des Tages ist im Gras. Ich liege auf dem Rücken. Weiß umrandete Wolken ziehen vor dem Mond vorbei. Ich stelle mir vor, jemand sieht mich von oben, aber niemand sieht mich. Dabei liege ich so malerisch. Das glaube ich, und ich fühle mich so wohl und so tot und wie ein aufgestauter Fluss, über den in der Nacht immer wieder einmal der Wind geht.“

Meine Meinung

„Bilder deiner großen Liebe. Ein unvollendeter Roman“ ist die Geschichte von Isa. Wie der Titel erahnen lässt, ist es ein unvollendeter Roman, den Herrndorf jedoch nach seinem Freitod veröffentlicht sehen wollte.
Die Geschichte ist ziemlich krass, es richtet sich eindeutig an Erwachsene. Dennoch fand ich den Tonfall wunderbar. Trotz der teilweise harten Schilderungen von sexuellen oder bedrohlichen Situationen für die 14-jährige Isa, besitzt das Buch eine gewisse Leichtigkeit. Es ist ein wenig, als würde man in einen Traum gleiten. Durch die kurzen Kapitel und auch durch Isas fehlende Angst, fliegt man nahezu durch den Roman. Ich mag Herrndorfs Sprache sehr. Durch das tagebuch- und traumhafte von Isas Schilderungen fällt das Fragmenthafte kaum auf. Dennoch fand ich besonders das Nachwort der beiden Herausgeber spannend. Diese schildern, wie der Roman in den letzten Wochen von Herrndorfs Leben Gestalt angenommen hat, zu einer Zeit, in der er nicht mehr in der Lage war zu Schreiben. So konnten denn einige Passagen nicht mehr fertig gestellt werden und musste von den Herausgebern angepasst werden. Dies ist jedoch eindeutig gelungen! Ich bin schon sehr gespannt auf meinen nächsten Herrndorf-Roman.

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Wolfgang Herrndorf – Bilder deiner großen Liebe. Ein unvollendeter Roman

144 Seiten;  16,95 Euro (Hardcover)

978-3-87134-791-7

3 Kommentare

  • Laura

    Liebe Jenni,
    ich stimme dir vollkommen zu, was den Stil der Leichtigkeit angeht. Dieser hat mich auch sehr beeindruckt, da es doch aus meiner Sicht eben jene unerwartete Wahrnehmung Isas ist, die den Roman so eindringlich macht.
    Dass genau die Situationen, die du „krass“ nennst, nicht als solche empfunden werden, begründet die ergreifende Wirkung. Jedoch lese ich daraus auch ein wenig die Botschaft, dass Normalität lediglich eine Fiktion ist, die es zu erkennen und akzeptieren gilt und die gar nicht zwangsläufig erstrebenswert ist, da sie Selbstverstellung bedeutete.
    Aus diesem Grund sehe ich die Handlung nicht unbedingt nur an Erwachsene adressiert, sondern auch an Jugendliche, die sich in ihrer Entwicklungsphase permanent mit sich und dem Rest abgleichen und hinterfragen. Insbesondere die Wahrnehmung jener, die gesellschaftlich als anders oder gar seltsam statuiert werden, sollten dem Roman dem Mut entnehmen können, frei nach dem Alice-im-Wunderland-Motto „We’re all mad in here“ zu leben.
    Was denkst du dazu? 🙂

    • Jennifer

      Liebe Laura,
      mit der Normalität als Fiktion stimme ich dir vollkommen zu. Ich denke, da spiegelt sich auch wieder, dass Herrndorf zu dem Zeitpunkt seines Schreibens in den letzten Phasen seines Lebens war. Er hat ja viel „Normalität“ für seine Familie und Freunde zu erhalten versucht, auch wenn es ihm mitunter nicht einfach fiel…
      Ich finde jedoch auch, dass man durch den leichten Ton sehr einfach über die sehr tiefen Themen hinweggleitet. Isas Verwahrung in einer Psychiatrie gegen ihren Willen (wobei sich dort ja die Frage stellt, ob dies nicht vielleicht eine Notwendigkeit zu ihrem eigenen Schutz ist), die gestörte Beziehung zu ihrem Vater (von dem sie einerseits sagt er sei tot; andererseits sorgt sie sich, dass er sie vermissen könnte) und zu ihrer Schwester/Freundin oder auch die sexuellen Nötigungen bzw. Anspielungen, die Isa immer wieder erlebt oder zu erleben scheint. Die Frage ist aber auch, an welchen Stellen sich Wirklichkeit und Wahn mischen. Isa selbst neigt ja nun nicht gerade zu Selbstverstellung, eher passt sie sich die Realität an ihre Bedürfnisse/Vorstellungen an.
      Ich würde das Buch jedenfalls ungefestigten Jugendlichen nicht uneingeschränkt empfehlen. 🙂

      Hast du denn schon Tschick gelesen? Nach dem was mir erzählt wurde, bestehen zwischen den beiden deutliche Unterschiede… Ich lese als nächstes Arbeit & Struktur (das ich bisher nur in Auszügen kenne) und will mir danach Tschick vornehmen. Ich bin sehr gespannt, wie sich meine Meinung dann vielleicht wandelt.
      VG und ein schönes Wochenende,
      Jennifer

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